Young Ju Jim
Young Ju Jim: Der 2. Tag, 2016, 100 x 80 cm, Öl auf Leinwand

"Schöpfungsgeschichte"

Young Ju Yim

Malerei



Ausstellung: 26. 11. - 14. 01. 2017
Opening: 25. November: 19 h


Sonderöffnungszeiten zum kleinen Winterrundgang, Leipzig: Sa: 14. 01. 2017 : 11 - 20 h


Winterpause: 18.12.-2.01.2017
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Young Ju Yim ist 1972 in Incheon, Südkorea geboren, wo er zwischen 1993 und 98 an der B.F.A. Fine Art Education studierte; von 2004-2009 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Malerei bei Prof. Sighard Gille und Prof. Anette Schröter, 2009 absolvierte er mit dem Diplom

 

Young Ju Yims Geschichte der Erschaffung„’In der Bibel gibt es kein Vorher und Nachher.' (1)

In seiner „Schöpfungsgeschichte“ erfindet sich Young Ju Yim neu und experimentiert mit klassischen künstlerischen Fragen, wie Malerei - Zeichnung, Abstraktion - Figuration, Dreidimensionalität - Zweidimensionalität, Dabei öffnet er sich jeder dieser künstlerischen Lösungen neu. Ebenso stellt er auf der Bedeutungsebene die von ihm eingeschlagenen Wege in Frage: „Was ist die Bedeutung? Wem und was messe ich Bedeutung bei? Was geschieht, wenn ich das Gegenteil denke; Was geschieht in dieser Umkehrung? Die Bedeutung und Unbedeutung, die ich nicht einfach teilen und getrennt erfassen kann, sind in einem magischen Spiel ineinander verwoben, dem auch eine zeitliche Dimension unterliegt - gleich einer Spinne, die ihre Fäden aus den Gedanken zieht.“

Der Stil des Künstlers bleibt in dieser neuen Schaffensära originär und wiedererkennbar. Teilweise bleibt er der Figuration treu, teilweise zeigt er abstrakte Seelenlandschaften wie in dem Bild „Inside Out“. Entsprechend seines Leitthemas einer grundsätzlichen Hinterfragung, transportiert er die bildnerischen Ergebnisse aus einer unformulierten Welt in diese Welt. Es handelt sich um eine positive, sichtbar gewordene Art der Verbannung in die Definiertheit, die eine Vielzahl ursprünglicher Möglichkeiten ausschließt. Die Übersetzung seelischer Empfindung, wird durch seinen Blick kontrolliert. Er entscheidet, wie und ob ein Bild, ein Strich, eine Farbe unter seinen ästhetischen Maßstäben besteht. In diesem Prozess überschreitet er die Schwelle, an der die Empfindung endet und dem rationalen Urteil weicht. Es ist der göttliche Aspekt der Schöpfung des Œuvres, eines jeden Kunstwerks innerhalb der Zeit, die dem Künstler bleibt. Müssen die Entscheidungen entsprechend vorsichtig getroffen werden –  oder nicht? Ist es ein Spiel, oder ist es kein Spiel?

In einer Vielzahl der Bilder geht es um Stillstand, oder Verharren, wie das Bild eines kleinen angeschlagenen Spielzeugschwans, der umgeben ist von einer überdimensionierten abstrakten Apparatur. Er steht statisch und symbolisiert die blockierte Kreativität. Alles schreit danach, ihn zum Spielen anzufeuern, ihm seine Winzigkeit auszureden und ihn zur Bewegung (in den künstlerischen Flow) zu bringen. Es geht in den Bildern zudem häufig um Themen wie Exil, Zersplitterung und Trennung – typische Sujets der Bibel. Unsre eigene Abgetrenntheit erklärt sich aus dem Sündenfall. In der logischen Konsequenz leben wir in einer Zeit der Form, in der davon ausgegangen wird, der Inhalt möge stimmen, wenn denn die Form stimmt. Aber ist es - unserem Wissen nach - wesentlich und überhaupt noch zeitgemäß nach dem rein Äußerlichen zu fragen? Ist die Postaufklärung nicht so weit, die permanente Entwicklung, das Urteilen, die rationale Entscheidung, der Empfindung und unsrer Verbindung mit dem Ursprung hintenan zu stellen, damit wir wieder Seele und Leib verbinden und ins Paradies zurück gelangen können? Das Paradies der inneren Einheit, in der wir unsre innere Stimme (bzw. Gottes Stimme) hören können? Wenn die Verinnerlichung des Apfels uns weitergebracht hat bis zum ökonomischen, biologischen, geistesgeschichtlichen Endpunkt, ist es da nicht an der Zeit sich mit allen Wesen zu verbinden und die Empfindung wieder vor das rationale Urteil zu stellen? Oder ist die Zweiheit, die ja dem Wesen des Baums der Erkenntnis inhärent ist, notwendig, damit der Mensch eben nicht in die himmlische Sphäre gelangt und sie entsprechend seiner niederen Begierden und eigennützigen Bestrebungen missbraucht?

Young Ju Yim versucht mehrere Bedeutungsebenen in einem Bild zu erschaffen, indem er zeitliche Verschiebungen einbaut, oder aber Symbole des Unterbewusstseins neben profane Alltagssituationen oder abstrakte Elemente setzt. Er wolle mit diesen Mitteln die persönliche Realität, das Urteil oder die bestehenden Maßstäbe, in denen er sich heimelig fühle, ausschalten. Ein Bild auf die bisherige Art oder neuartig zu gestalten unterliegt damit nicht länger einer objektiven oder persönlichen Kritik, sondern in Verbindung mit der nonverbalen, göttlichen Ursprache und in Anbetracht dessen, dass Gott uns nach seinem Ebenbild erschuf, ist jede Art der Kritik ganz so, als würde man die Sonne, den Mond oder die Sterne – kurzum die Schöpfung selbst - kritisieren.

Doch was ist das Besondere der Schöpfungsinterpretation Young Ju Yims und worauf bezieht er sich? Das Titelbild der Ausstellung heißt „ Der 2. Tag“ – auf dem Bild steht eine Frau mit einem Fisch in einem Wasserglas auf einem Berg voller Fragmente. Steine, Farbe, amorphe Formen scheinen in Bewegung und türmen sich übereinander. Sie blickt, dem Betrachter abgewandt, in die Bildtiefe – in ein augenscheinliches Nichts. Was aber haben der Fisch und die Frau am 2. Schöpfungstag zu suchen, an jenem Tag an dem Gott das Wasser ober- und unterhalb der Himmelsscheide trennte und von Lebewesen noch nicht die Rede ist? Es handelt sich um eine zeitliche Vorwegnahme, da Young Ju Yim, den 5. Tag, an dem Gott der unteren und oberen Hälfte Leben verleiht, als Folge des 2. Tages sieht und das Wasser auch mit der Frau in Bezug setzt. Dieser Gedanke wurde von dem Bibelforscher und Kabbalisten Friedrich Weinreb aufgegriffen, der mit Nachdruck erwähnt, dass nichts geschehen kann, bevor der Mensch die Frau hat. Tatsächlich übernimmt sie den aktiven Part und spricht mit der Schlange, sie isst den Apfel und sie gibt ihn dem Mann zu essen. Adam ist dabei passiv. Young Ju Yims Bild „Adam“ deutet auf die Fremdbestimmung des Mannes durch die Frau hin, auch wenn der Mann dem ersten Tag, dem Licht und der Aktivität zugeordnet wird. Nicht zufällig konfiguriert sich Young Ju Yims Adam aus einer schwarzen Rauchsäule, die ikonografisch Isaak symbolisiert, einen weiteren passiven männlichen Protagonisten aus dem alten Testament. Einmal mehr eine zeitliche Vorwegnahme, oder vielmehr die Interpretation Adams als Stereotyp fremdbestimmter Männlichkeit, die zumindest in der Bibel ihr Et cetera findet.

Young Ju Yim spricht in Bezug auf die Schöpfungsgeschichte von der „Geschichte der Erschaffung“ und in seiner Schöpfung versucht er wie bei einem Kaleidoskop vorzugehen, indem er aus vielen Juwelen und unscheinbaren grauen Steinchen versucht, das für ihn Wesentliche herauszusieben. Die Entzweiung geschah und was jetzt? Wohin führen die äußeren Eindrücke, wohin führt die innere Stimme? Der Weg ist ungewiss, doch gibt es etwas von dem wir ausgehen können, weil es anders keinen Sinn ergäbe: Gott hat die Welt erschaffen, um dem Menschen das Glück zu bringen, Nicht um ihn durch eine List zu Fall zu bringen.

Lu Potemka



(1)  Friedrich Weinreb: Innenwelt des Wortes im Neuen Testament. Eine Deutung aus den Quellen des Judentums. Weiler i.A. 1988, S. 240.



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