Rayk Goetze

#1

Malerei

17. 12. 2012 - 19. 01. 2013

Vernissage: 15. 12. | 19.00 Uhr

Heilige und Krieger

„Heilige und Krieger“ lautet der eigentliche Untertitel der zweiteiligen Show von Rayk Goetze in der Galerie Potemka und im Spinnerei Archiv Massiv. In der Akzentuierung liegt der Schwerpunkt der Helden in der Galerie Potemka, die der Heiligen im Archiv Massiv. Viele Attribute und Abwandlungen entspringen Experimenten und Spielereien, sowie der persönlichen Ikonografie des Künstlers. Interessant ist die Frage, wie deutet ein zeitgenössischer Künstler diese traditionellen Topoi, die ganze Bibliotheken füllen können, bzw. wie schafft er einen Zeitbezug?

Im vergangenen Jahr wurden mehrere Schauen zum Thema Helden in Deutschland gezeigt. Der Run auf das Thema „Helden“ als verschwistertes Thema zu den „Kriegern“ hat sicher etwas mit der Selbstdefinition der Männer zu tun, die sie sich in unsrer emanzipierten Welt heimeliger fühlen wollen, in der eine nicht unbegründete Angst vor einer Verweiblichung der Männlichkeit schwelt. Neo Rauch etwa, der in den genannten Ausstellungen prominent vertreten war, hat sich dem passiven handlungsunfähigen Helden geradezu verschrieben, dessen Exegese auf Isaak gründet und dem er gefesselt, oder als somnambules Wesen, festgehalten und eingesperrt, ein neues Gesicht verleiht, indem sich sein Held  ohne Verweis auf eine große Schlüsselerzählung, bereitwillig entmündigen lässt.

In Rayk Goetzes Gesamtwerk ist der körperliche Ausdruck ein ganz wichtiges Element. Damit ist nicht allein die Geste oder Körpersprache gemeint, sondern seine Körper sprechen  auch durch das Inkarnat, die atmende Haut und die Anspannung der Muskeln. Seine Krieger sind Männer, es sind männliche Heldenkörper in antiker Idealoptik. Dieser Körpertypus konnotiert über sich hinaus geistige und männliche Ideale und galt schon bei Winckelmann als Gefäß moralischer Eigenschaften. Er konnte – diese Beobachtung geht auf Thomas Crow zurück – durch seine Festigkeit und Unveränderbarkeit für Tugenden wie Mut, Tapferkeit, Kampfgeist, Gerechtigkeit, und Patriotismus stehen. Selbst in seiner Nacktheit berührt er nicht die Sünde, sondern die Unsterblichkeit griechischer Götter. Rayk Goetzes Helden sind nicht gehemmt, sie sind aktiv, stark, können zuweilen Täter sein, oder sie erinnern in harmonischer und privater Runde an homoerotische spartanische Militärethik, doch sie sind – auch wenn ihr melancholischer Blick zuweilen eine Verinnerlichung andeutet, niemals besiegt!

Die Heiligen hat Rayk Goetze der Weiblichkeit zugeordnet, wobei er seine Aufmerksamkeit vor allem der Madonnendarstellung gilt. Um nun den Bogen zur Körperlichkeit zu spannen, so war der weibliche Körper wechselnden Moden, dem Zyklus und der Schwangerschaft unterworfen und durch seine unzuverlässige Form ungeeignet feste Werte zu symbolisieren, zudem waren es in der Vormoderne vor allem Statuen nackter Göttinnen, an denen sich unbeobachtete Betrachter vergingen. Der weibliche Körper galt als frivoler, wollüstiger und ihm lag offenbar eine dämonische Seduktionskraft inne, die zur Sünde verleitete. Diese Sichtweise war natürlich an die christliche Tradition gekoppelt, die die „Jungfräulichkeit“ und „Sexualität“ in „Gut“ und „Böse“ abspaltete - verkörpert durch die entsexualisierte Jungfrau Maria und die körperlichere, aber büßende Maria Magdalena.

Rayk Goetze schuf eine verhüllte Madonna, aber in zeitgenössischem Gewandt. Er  kleidete sie in eine Trainingsjacke, unter der ein Körper sehr stark angedeutet ist. Weder entsinnlicht er Maria, noch macht er sie zum Objekt, sie ist auch keine Satire, sondern er lässt sie in ihrer Würde stehen. Ihr Gesicht ist porträthaft wodurch die seelische Ebene, die Mildtat und Weichheit der Muttergottes unterstrichen wird. Endlich sind Körper und Seele eins: Die sinnlichen Lippen und ihre Körperlichkeit deuten auf eine Vereinigung dessen hin, was vom Christentum getrennt wurde, aber unbedingt zusammengehört. Die überlebte Tradition, die das natürliche Wesen der Frau verstümmelte, als auch die fehlende Geschlechtersicherheit der Männer durch die ersten Jahre der Emanzipation scheint überwunden. Goetzes Entwurf ist positiv, es ist ein Schritt in ein neues Weltbewusstsein.

Lu Potemka

Schneewittchen, 100 x 80 cm, Öl,Acryl-Lwd., 2012

 

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