faust

Franziska Anna Faust

+- 0

Objekte . Installation . Performance

01. 02 - 02. 03. 2013
opening: 01. Feb. 19.00 Uhr

Franziska Anna Faust + - 0

Franziska Anna Faust inszeniert in ihrer Diplomausstellung zwei Kinderzimmer. Das eine Zimmer weckt durch die Dominanz der Farben Pink und Rosa Assoziationen mit einem Mädchenzimmer, das zweite Zimmer umfasst das gesamte Farbspektrum im Spiel mit Farbverläufen und erinnert vor allem durch die Art der Spielzeuge – es sind bevorzugt Waffen - an ein Jungszimmer. Obwohl die Räume chaotisch und benutzt wirken, als sei das Spiel eben abgebrochen worden, herrscht eine Ordnung durch die Farbgebung vor. Gleichsam bemerkt man beim zweiten Blick, dass die geschlechtliche Zuordnung und Trennung der Räume Nonsens ist.

So entpuppt sich das rosafarbene Zimmer ist bei näherer Betrachtung als ein Zimmer, bei dem sich eher Männer aufhalten würden. Für Franziska Anna Faust ist + - 0 das Zentrum der Koordinaten, der Nullpunkt zwischen zwei Polen. Pink ist für sie die alchemistische Verbindung von Sperma und Blut, die neues Leben hervorbringt, ergo eine Farbe der Schöpfung und die entsteht an der Stelle an der sich die Pole treffen.

Es spannt sich aber darüber hinaus ein ganzer Teppich an Polaritäten zwischen, mit und in den beiden künstlichen Paradiesen auf. Allein der Überfluss, das „mehr“ und das „too much“ an Spielsachen und Süßigkeiten, die sich harmonisch mit den von Franziska Anna Faust erschaffenen Toy-Skulpturen vermischen, werfen die Frage auf, ob dieses „mehr von allem“ wirklich für mehr Behaglichkeit sorgt, oder ob die Fülle nicht ein Hinweis ist auf ein Loch, auf eine innere Leere, die gefüllt werden soll, aber nur kurzfristig gefüllt werden kann und die nach der Erfüllung schnell nach weiterem, neuem Konsum, nach noch mehr Spielsachen hungert. Die Künstlerin spielt auf Hedonismus an, aber einem Hedonismus, dem ein Nihilismus zu Grunde liegt und betrachtet es als ein zeitgeistiges Phänomen, dass beide kein Gegensatzpaar mehr bilden, sondern sich gegenseitig bedingen. Ihrer Meinung nach verlieren durch die Ansammlung die Details und Einzelstücke an Bedeutung und die Oberflächlichkeit hebt sich durch das „too much“ wieder auf. Einerseits entsteht durch die Fülle Harmonie, aber gleichzeitig entsteht auch der Link zu einem Zustand des horror vacui – der Angst vor der Leere.

Eine Urangst? Die Künstlerin verweist ergänzend auf das Tzim Tzum, das nach der Kabbala die Leere ist, die zurückbleibt, wenn Gott sich aus der Schöpfung zurückzieht. Allerdings kann in der Leere auch wieder etwas Neues entstehen. Und allein sie zu erkennen oder ihr zu begegnen, ist auch die Erkenntnis, das Lüften des Schleiers der Maya entspricht hier also dem Lüften der Wahrheit hinter den Gegenständen.

Eine weitere Polarität erschließt sich über die Idee der Erschaffung der Plastikparadiese und der Frage nach dem Subjekt. Jeder will und kann ein kleiner König für sich sein, eine kleine Königin, aber trotzdem besteht nur die Wahl sein Reich innerhalb der Dinge zu erschaffen, zwischen denen die Gesellschaft wählen lässt und hier wird die Massenware und die Markenware nur zu Symbolen einer dahinterliegenden psychischen Gleichschaltung. Der Mensch ist für Franziska Anna Faust unteilbar wie eine Primzahl, die allerdings in der Masse untergeht. So wundervoll der Gedanke des großen Subjekts auch sein mag, es gibt keine wirkliche Möglichkeit auszubrechen von den vorgegebenen Möglichkeiten. Je est un autre – das heißt, wenn alle Menschen gleich sind, dann ist ICH ein anderer.

Stets scheint in den bunten Räumen ein Monster hinter und in den Spielsachen zu lauern und das bestätigt sich auch bei näherer Betrachtung der Details. Es geht um Sex und Gewalt. Darüber richtet jedoch kein moralisches Auge, sondern die Spielzeugindustrie lebt davon und so scheint es dem Menschen von Kindheit an inhärent zu sein, jenseits von „gut und böse“ zu denken und zu handeln, indem es ein Kind im Alter von zwei Jahren etwa liebt mit Waffen zu spielen und zwanzig Jahre später in Kriegsgebieten das reale Spiel spielt, das da heißt: zu töten. Für die Künstlerin ist das Spiel, das kreative Chaos trotzdem die Möglichkeit, sich Freiheiten zu schaffen und das Subjekt wieder stärker zu spüren, diesen Zustand anzunehmen bedeutet aber gleichzeitig die äußere Realität abzulehnen, oder zu ignorieren. Verschwinden im Nichts, oder untergehen in der Fülle?

Lu Potemka

Franziska Anna Faust

 

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